Niedersächsischer Landtag beschließt das neue Polizeigesetz NPOG
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- Kategorie: Panorama
- Veröffentlicht: Donnerstag, 16. Mai 2019 12:59
Niedersachsen (red). Der Niedersächsische Landtag hat am 14. Mai umfangreiche Änderungen des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, das künftig die Bezeichnung „Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG)“ tragen wird, beschlossen. Der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius: „Das Gesetz ist eine vernünftige, angemessene und notwendige Modernisierung unseres Polizeirechts. Wir brauchen eine ausgewogene rechtliche Grundlage für unsere Sicherheitsbehörden, um uns adäquat vor Gefahren schützen zu können. Oberste Priorität hatte für uns als Landesregierung und auch für mich persönlich, dass es gelingt, die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit angemessen zu wahren. Ich bin davon überzeugt, dass uns das mit diesem Gesetzentwurf gelungen ist. Der heutige Tag ist deshalb ein guter Tag für die Sicherheit in Niedersachsen. Die Polizei erhält wichtige Befugnisse, um den internationalen Terrorismus weiterhin wirksam bekämpfen zu können. Das alte Gesetz stammte aus einer Zeit, in der das erste iPhone gerade auf den Markt kam.
Es war also noch weitestgehend blind auf dem digitalen Auge, IP-Telefonie und Messengerdienste in der heutigen Form gab es noch gar nicht. Die Polizei braucht die Möglichkeit, bei begründetem Verdacht erheblicher Gefahren auch auf diese Formen der Kommunikation Zugriff zu bekommen. Auch die digitale Welt darf kein rechtsfreier Raum sein! Zugleich setzen wir mit dem Gesetz konsequent die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um und stärken Bürgerrechte im Bereich des Datenschutzes.“ Wenn es eindeutige Hinweise darauf gibt, dass eine terroristische Straftat unmittelbar bevorsteht, können Verdächtige zur Bekämpfung terroristischer Gefahren jetzt länger als bisher in Gewahrsam genommen werden. Künftig kann ein Gericht insgesamt bis zu 35 Tage Gewahrsam anordnen, wobei das Gericht nach jeweils zwei Wochen über die Fortdauer des Gewahrsams zu entscheiden hat. Pistorius: „Ich habe während der vergangenen Diskussionen im Zusammenhang mit der Dauer des Gefährdergewahrsams immer wieder deutlich gemacht, dass wir hier sehr sensibel sein müssen. Klar ist, dass auch jede Verlängerung des Gewahrsams durch ein Gericht angeordnet werden muss. Zur Gewahrsamsdauer haben wir jetzt einen vernünftigen Kompromiss gefunden. Es geht insgesamt um sehr wenige Fälle, die sich auf den Bereich terroristischer Gefahren beziehen, keineswegs aber dazu genutzt werden können, um beispielsweise Fußballfans aus Stadien fernzuhalten.“
Gegen terroristische Gefährder können auf richterlichen Beschluss hin außerdem Aufenthaltsvorgaben und Kontaktverbote verhängt oder elektronische Fußfesseln zur Aufenthaltsüberwachung eingesetzt werden. Dies sind neue Instrumente, die die Polizei nutzen kann, um terroristische Gefährder im Blick zu behalten und Freiräume bei der Vorbereitung von terroristischen Straftaten zu beschränken.
Mit der sogenannten Quellen-TKÜ und der Online-Durchsuchung erhält die Polizei neue Ermittlungsbefugnisse. Die Möglichkeit, aus der Ferne auf Computer oder Handys zuzugreifen, ist vor allem deshalb von so großer Bedeutung, weil die Verschlüsselung von Informationen – auch zu kriminellen Zwecken - inzwischen gängige Praxis ist und z.B. eine Überwachung der Telekommunikation mit herkömmlichen Methoden häufig nicht mehr zum Erfolg führt. Pistorius: „Das alte Polizeigesetz stammt aus der Zeit von USB-Sticks, CD-Roms und herkömmlicher Telefonie. Seitdem ist im Bereich der Digitalisierung unserer Gesellschaft und Kommunikation unendlich viel passiert.
Die Ermittlungsbehörden müssen mit den kriminellen Methoden im digitalen Raum mithalten können. Es darf auch im Internet keinen rechtsfreien Raum geben. Allen Skeptikern kann ich sagen, dass ich Verständnis für die Diskussionen über Befugnisse und Datenschutz in diesem Zusammenhang habe. Letztendlich muss die Polizei aber ihre Aufgaben erfüllen können und die Bürgerinnen und Bürger des Landes mit den erforderlichen Mitteln schützen können. Auch an dieser Stelle gibt es natürlich einen Richtervorbehalt. Ob diese Maßnahmen durchgeführt werden, entscheidet am Ende also nicht die Polizei und schon gar nicht der Innenminister, sondern immer ein unabhängiges Gericht!“++ Durch eine Reihe von rechtsstaatlichen Sicherungen wird gewährleistet, dass gerade diese besonders eingriffsintensiven Maßnahmen der Polizei mit dem Grundgesetz im Einklang stehen werden. So gibt es Verbesserungen beim Schutz von Berufsgeheimnisträgern - etwa Rechtsanwälten und Journalisten - und beim Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Umfangreiche Richtervorbehalte und die nachträgliche Benachrichtigung Betroffener von verdeckten Maßnahmen sorgen für einen effektiven Rechtsschutz. Außerdem werden Kontrollen durch die Landesbeauftragte für den Datenschutz und die parlamentarischen Kontrolle gestärkt.
Auch für die tägliche Polizeiarbeit bringt das Gesetz Neuerungen – zu denen allerdings ausdrücklich nicht der Taser gehört, der weiterhin ausschließlich für das Spezialeinsatzkommando zugelassen bleibt. Für einen breiten Einsatz gedacht sind hingegen die Bodycams, für die erstmals eine spezifische Rechtsgrundlage geschaffen wird. Bislang wurden beim Einsatz nur Bild- und nicht auch Tonaufzeichnungen gemacht, so dass Einsatzsituationen nur eingeschränkt nachvollzogen werden konnten - das ändert sich durch das neue Gesetz.
Das neue NPOG enthält außerdem Regelungen zu Gefährderansprache und Meldeauflage. Beides sind gut etablierte Instrumente zur Verhütung von Straftaten, die bisher auf die Generalklausel gestützt wurden und jetzt gesetzlich normiert wurden.
Weiterhin enthält das Gesetz Neuerungen im Bereich der Verkehrssicherheit. Die Geschwindigkeitsüberwachung mittels Abschnittskontrolle (Section Control), die ein sehr wirksames Mittel ist, um die Sicherheit auf unseren Straßen zu verbessern, erhält mit dem neuen Gesetz eine ausdrückliche Rechtsgrundlage. Mit der neuen Vorschrift sind die Voraussetzungen geschaffen, um das Pilotprojekt an der B 6 fortzusetzen.