Würgassen soll nicht zum „Atomklo“ Deutschlands werden: Demo und Infoveranstaltung in Beverungen
- Details
- Kategorie: Region Aktiv
- Veröffentlicht: Mittwoch, 23. September 2020 09:47
Beverungen (TKu). Bürgerinformationsveranstaltung und Demonstration in Beverungen: Ein großes Aufgebot an Demonstranten kamen am Dienstagnachmittag in Beverungen vor der Stadthalle zusammen, um gegen das geplante Atommüll-Logistikzentrum am Standort des ehemaligen Kernkraftwerkes in Würgassen zu protestieren. In der Stadthalle fand während dessen derweil die Bürgerinformation der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) zum geplanten Atommüll-Logistikzentrum Würgassen statt, die im März aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt und in den September verlagert wurde. Vor der Stadthalle auf den Weserwiesen „Am Hakel“ machten 300 Demonstranten*innen ihrem Unmut gegen das geplante Atommülllager Luft. Eingeladen zu der Demonstration hatte die Bürgerinitiative ,,Atomfreies 3-Ländereck e.V.”, die selbst zu der Bürgerinformationsveranstaltung nicht geladen war.
Der Vorsitzende der Bürgerinitiative, Dirk Wilhelm, sprach in dem Zusammenhang mit der Infoveranstaltung von einer „Einbahnstraße der Informationen". Dirk Wilhelm gehörte neben Bürgermeister Hubertus Grimm, MdL Matthias Goeken und Tim Vollert von der Fridays-for-Future-Bewegung zu den Rednern der Gegenveranstaltung. Die Bürgerinitiative fordert in ihrem Statement „die sofortige Einstellung aller Arbeiten am Standort Würgassen im Auftrag der BGZ", den „Nachweis der zwingenden Notwendigkeit des Logistikzentrums durch ein unabhängiges Gutachten und den Nachweis des im Gesetz geforderten wirtschaftlichen Vorteils des ZBL (Zentrales Bereitstellungslager für Schacht Konrad)" und drittens „den Einsatz einer unabhängigen Kommission zur transparenten, ausschließlich sach- und faktenbezogenen Standortauswahl", so Dirk Wilhelm, der dies bereits vorab schon bei der Pressekonferenz vor beiden Veranstaltungen bekannt gab.
Bürgermeister Grimm übte während seiner Rede an die Demonstranten harsche Kritik an der Entscheidung für den geplanten Logistikstandort seitens der BGZ (Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH Essen). Das Schienennetz sei nicht geeignet, weil es nicht, wie gefordert, elektrifiziert und zweigleisig sei. Bei erhöhtem Schienenverkehrsaufkommen müsse die Eisenbahnbrücke bei Meinbrexen erneuert werden. Hinzu käme die schlechte Verkehrsanbindung der Region, in der man weit bis zur nächsten Autobahn fahren müsse. Der Bürgermeister lobte die „beeindruckenden Aktionen", die in den vergangenen sechs Monaten mit Beharrlichkeit von den Menschen organisiert worden seien, so auch diese Demonstration, die in ihrer Kreativität an nichts zu überbieten war. Damit werde die Region auch in Berlin wahrgenommen, so Grimm, der die Demonstration auch schon wieder schnell mit MdL Matthias Goeken und Kreisdirektor Klaus Schumacher wieder verlassen musste, um an der Informationsveranstaltung in der Stadthalle teilzunehmen.
In der Beverunger Stadthalle waren etwa 150 Bürgerinnen und Bürger, um die Informationen von der BGZ zum ZBL zu erhalten. Weil in die Stadthalle wegen Corona auch nicht mehr hinein durften, gab es über die Internetseite der BGZ einen Livestream zu sehen. Umfangreiche Informationen rund um das ZBL gaben Ewold Seeba, Vorsitzender der Geschäftsführung, Generalbevollmächtigter Christian Möbius und Heinz-Walter Drotleff, Bereichsleiter Logistikzentrum Konrad. Man wolle nichts verharmlosen, aber auch nichts dramatisieren, so Seeba. Die BGZ gehe nach der Indienststellung des Logistikzentrums von weniger als zehn Zugbewegungen und weniger als 20 LKW-Transporte aus. Weil die schwach- bis mittelradioaktiven Abfälle in geschlossenen Gebinden transportiert würden, ginge von ihnen nur eine geringe Gefahr aus, so Heinz-Walter Drotleff. Mit diesen Gebinden kämen die Abfälle bereits in Würgassen an. Die Ausführungen der BGZ dieser mehrstündigen Infoveranstaltung wurden von den Bürgerinnen und Bürger zum Teil akribisch hinterfragt und angezweifelt.
Im Publikum war auch Martin Hörning, stellvertretender Vorsitzender der BI inkognito. Er erklärte vorab, dass die BI ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben habe, das im Oktober fertiggestellt sein soll. Die Bürgerinitiative gab dazu folgendes Statement ab: ,,Wir werden die Standortsuche für das zentrale Bereitstellungslager nach wissenschaftlichen Standards überprüfen. Die geordnete Endlagerung schwach und mittelradioaktiver Abfälle ist notwendig. Alle Schritte von der Sammlung bis zur Einlagerung im Schacht Konrad müssen nachvollziehbar und allein nach objektiven Kriterien erfolgen. Bereits nach einer ersten Sichtung der Unterlagen ist jedoch zweifelhaft, ob das Auswahlverfahren objektiv und gemäß den gebotenen wissenschaftlichen Anforderungen erfolgte. Die vorliegenden Gutachten sind unzureichend und die Bewertungen erscheinen voreilig. Wenn ein Vorhabenträger seine Standortwahl als ´alternativlos´ darstellt, ist stets Skepsis geboten. Solche Behauptungen dienen in der Regel nur dazu, Mängel zu vertuschen. Offenbar soll Druck auf politische Entscheidungsträger ausgeübt werden. Wir werden davon unbeeindruckt alle Einzelschritte der Standortsuche untersuchen", so Martin Hörning von der BI. Aus Sicht des Vereins ,,Atomfreies 3-Ländereck e.V.” ist das, was die BGZ mit den Bewertungskriterien vorgelegt hat, in puncto Objektivität, Validität und Reliabilität „ungeeignet". Das solle auch das unabhängige Gutachten zutage fördern. Die BI rechnet in den nächsten 30 Jahren mit 73 Millionen Kilometer beförderter Atommüll. Nähere Standorte zum Schacht Konrad kämen nur auf zwei Millionen Kilometer. Würgassen soll nicht das „Atomklo Deutschlands“ werden: Vom geplanten Logistikzentrum in Würgassen soll radioaktiver Atommüll aus ganz Deutschland gesammelt und wiederum auf die Reise zum Schacht Konrad nach Salzgitter gehen.
Fotos/Screenshots: Thomas Kube