NABU reicht EU-Beschwerde gegen Niedersächsische Wolfsverordnung ein
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- Kategorie: Region Aktiv
- Veröffentlicht: Mittwoch, 06. Januar 2021 11:55
Hannover/ Brüssel (r). Der NABU reicht eine EU-Beschwerde gegen die Wolfsverordnung des Landes Niedersachsen vom 20.11.2020 bei der Europäischen Kommission in Brüssel ein. Im Ergebnis werden Verstöße der Verordnung gegen den Artenschutz sowie die Ausnahmen der Europäischen Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-RL) gerügt. Niedersachsen weicht nach Auffassung des NABU mit seiner Verordnung weit von Beispielen anderer Bundesländer sowie vom EU-Recht ab.
In Niedersachsen gibt es seit 2006 wieder Hinweise, seit 2007 auch definitive Nachweise für Wolfsvorkommen. Aktuell wurden 35 Wolfsrudel und 2 Wolfspaare nachgewiesen.
Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen hierzu: „Mit der nun vorliegenden Wolfsverordnung stellt sich das Land Niedersachsen nicht den Herausforderungen, die mit einer Koexistenz einhergehen, sondern weicht den Schutz des Wolfes massiv auf. In der Verordnung werden bundesweite Empfehlungen eines zumutbaren Herdenschutzes weiter nach unten korrigiert. Das wird den Weidetierhaltern nicht helfen, da Wolfsabschüsse keine Nutztierrisse verhindern.“ Es ist aus Nordamerika und Europäischen Nachbarländern bekannt, dass Abschüsse von Wölfen durch eine Zerstörung der Rudelstruktur in dem betroffenen oder Nachbargebiet sogar erhöhte Nutztierrisse zur Folge haben können.
„Wir sehen uns nun zu diesem Schritt gezwungen, da alle wohlgemeinten Appelle in Richtung Politik, sich auf fachlicher Grundlage mit dem Thema Wolf zu beschäftigen, sang und klanglos verklungen sind. Nun wird sich die EU mit der Niedersächsischen Wolfsverordnung beschäftigen. Nach dem bereits von der EU gestartetem Pilotverfahren droht nun ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren. Wieder einmal spielt Niedersachsen eine unrühmliche Rolle im europäischen Naturschutz, nachdem bereits die in Teilen fehlende und mangelhafte Schutzgebietsausweisung zu einem nach wie vor bestehenden Vertragsverletzungsverfahren geführt hat“, bekräftigt Dr. Buschmann.
Ein zentraler Aspekt der Beschwerde liegt in der Prognose zukünftiger wirtschaftlicher Schäden. So wird in der Verordnung davon ausgegangen, dass Pferde und Rinder per se wehrhaft wären und somit keine wolfsabweisende Zäune erforderlich wären. „Eine grobe Fehleinschätzung,“ beklagt Dr. Buschmann, „denn eine wissenschaftlich untersetzte und hinreichend belastbare Erkenntnisgrundlage liegt dieser Annahme nicht zugrunde. Vielmehr zeigt die Praxis das Gegenteil und die zuständige Fachbehörde des Landes selbst hat eine derart pauschale Bewertung nicht als fachlich gerechtfertigt eingestuft.“
Auch weist die Verordnung eine Sonderregelung für den zumutbaren Herdenschutz bei Deichen und anderen Hochwasserschutzmaßnahmen auf. Hier sollen schlichte Einzäunungen, anstatt wolfsabweisender Zäune, Wölfe von den Schafen fern halten. „Für eine derartige Erleichterung der Tötung von Wölfen bei Schafsrissen bzw. Verletzungen auf Deichen gibt es keine tragfähige rechtliche Grundlage und die Annahme ist einfach fachlicher Nonsens. Auch an Deichen lassen sich zumutbare Herdenschutzmaßnahmen durchführen“, erklärt Dr. Buschmann.
Weiterhin legt Niedersachsen ein auf das Bundesland bezogenes Verfahren zur Beurteilung des Erhaltungszustandes der Wolfspopulation fest. „Es wird wissentlich verkannt, dass der Bezugspunkt, an den sich der Erhaltungszustand einer Wolfspopulation knüpft, nicht an Bundeslandgrenzen (auch nicht an Staatsgrenzen) sondern vielmehr an natürlichen Verbreitungsgebieten bemisst. Die Biologie von Tieren und auch von Populationen kann zudem nicht von einer Verordnung bestimmt werden“, erläutert Dr. Buschmann.
Es stellt sich die Frage, ob solche Forderungen ein erster Schritt in Richtung so genannter "wolfsfreier Zonen an der Küste" und "Wolfs-Abschussquoten" darstellen soll, wie wiederholt von Vertretern der niedersächsischen CDU und SPD gefordert. Beides wurde in verschiedenen Gerichtsverfahren wiederholt vom Europäischen Gerichtshof als 'nicht zielführend' abgewiesen. Es stehen bereits ausreichend rechtliche Mittel um mit Wölfen umzugehen zur Verfügung und es gibt Bundesländer, in denen sinnvolle und praktikable Wolfsverordnungen bereits umgesetzt werden. Es gibt keinen Grund von den offensichtlich und nachweislich zielführenden Maßnahmen - wie dem wolfsabweisenden Herdenschutz- abzuweichen.