Mord, Totschlag oder fahrlässige Tötung? 54-jähriger Kollerbecker in Paderborn vor Gericht
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- Kategorie: Region Aktiv
- Veröffentlicht: Mittwoch, 17. Februar 2021 11:09
Marienmünster (red). Ein 54-Jähriger aus Marienmünster-Kollerbeck soll seine Mutter getötet haben. In Paderborn musste sich der Angeklagte Rüdiger W. (Name geändert) am Dienstag vor dem Schwurgericht in Paderborn für seine vermeintliche Tat verantworten. Rüdiger W. sei zunächst wegen des Verdachts auf Totschlag in Untersuchungshaft gekommen. Der Haftbefehl ist aber inzwischen aufgehoben worden, der Angeklagte kommt vorerst auf freien Fuß. Am 11. August des vergangenen Jahres war in Kollerbeck eine 79-Jährige leblos in der Badewanne entdeckt worden. Es handele sich bei der Verstorbenen um die pflegebedürftige Mutter des 54-jährigen Angeklagten Rüdiger W.. Da die Todesursache vor Ort nicht eindeutig festzustellen war und sich Ungereimtheiten ergeben haben, wurde die Polizei hinzugezogen. Der Angeklagte Rüdiger W. habe sich vor der hinzugezogen Polizei dann in Widersprüche verstrickt, zum Beispiel wie er die Tote aufgefunden habe. Die Mutter sei ertrunken, das habe auch die eingeleitete Obduktion eindeutig ergeben. Rüdiger W. habe seine 79-jährige Mutter mit einem Badewannenlift in die Wanne gehoben und alleine gelassen, so dass sie unterging und ertrank. Es folgte eine Anklage wegen des Verdachts auf Totschlag und die Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld. Nachbarn haben berichtet, dass Mutter und Sohn noch nicht lange in Kollerbeck gewohnt haben. Sie sollen „Fremde in der Gemeinschaft“ geblieben sein und kaum Kontakt zu den Dorfbewohnern gehabt haben. Die Mutter sei früher ab und zu mit dem Hund gesehen worden, später hätte der Sohn das Gassigehen übernommen. Rüdiger W. habe man meist mit der Kapuze über den Kopf gezogen gesehen. Er habe die Menschen im Ort nie gegrüßt.
Was sich in dem Einfamilienhaus in Kollerbeck vor gut einem halben Jahr abgespielt hat, das will nun das Landgericht in Paderborn herausfinden. Rüdiger W. sagte vor dem Gericht aus, dass seine Mutter bereits tot war, als er sie an diesem Morgen wecken wollte. „Die Leichenstarre war bereits eingetreten“, erklärt er. Sie habe unter sich gemacht, weshalb er die Tote mit dem Rollator ins Bad gebracht habe, um sie dort zu duschen und sauber zu machen. Rüdiger W. wollte nicht, dass fremde Menschen sie so sehen. Nach dem Waschen hätten ihn die Kräfte verlassen. Rüdiger W. setzte den Notruf ab und verständigte den Rettungsdienst. Die diensthabende Notärztin zog die Polizei hinzu. Das werde in solchen Fällen üblicherweise immer so gehandhabt. Die Aussagen des Sohnes hätten aber nicht zu dem Auffinden der 79-Jährigen gepasst, so die Ärztin und ein Sanitäter, der ebenfalls in den Zeugenstand berufen war. Rüdiger W. habe der Notärztin erzählt, dass er seine Mutter beim Baden kurz allein gelassen habe. Das passe auch zu den Obduktionsergebnissen, die ergeben haben, das die alte pflegebedürftige Dame tatsächlich ertrunken war. War es nun aber Mord, Totschlag durch Unterlassen oder Fahrlässigkeit? War Rüdiger W. die Pflege seiner betagten Mutter über den Kopf gewachsen, dass er sie aus diesem Grund im Badezimmer alleine gelassen hat?
Rüdiger W. habe ein sehr enges Verhältnis zu seiner Mutter gehabt, wie der Angeklagte im Gericht beteuert. Er habe alles für sie getan und sogar seinen eigenen Betrieb aufgegeben. Seinen späteren Job als Informationstechnikermeister im Angestelltenverhältnis gab er später auch für sie auf, um sich ganz der Pflege seiner demenzkranken Mutter zu widmen, die sich dagegen zur Wehr setzte, in einem Alten- und Pflegeheim untergebracht zu werden. „Sie war meine ganze Familie“, beteuerte der Angeklagte. „Ich hätte alles getan.“ Zusätzlich zu ihrer Demenz habe sich die Mutter körperlich in einem sehr schlechten Zustand befunden. Die ältere Frau habe nur noch 43 Kilogramm gewogen und viele Geschwüre an Rücken und Gesäß gehabt. Das Gericht unter dem Vorsitz von Richter Eric Schülke stellte heraus, dass der Angeklagte seine Mutter jahrelang mit großer Aufopferung gepflegt habe. Rüdiger W. habe keinen Grund gehabt, seine Mutter zu töten. Vorsatz schloss der Richter aus „Es mag grobe Fahrlässigkeit gewesen sein“, erklärte der Richter. Warum die 79-Jährige in der Badewanne untergegangen ist, konnten die Rechtsmediziner nicht eindeutig sagen. Eine Beaufsichtigung hätte während des Badens bei der schwer pflegebedürftigen Mutter aber sein müssen, stellte das Gericht heraus. Verteidiger Franz Stemmer möchte die Aufhebung des Haftbefehls bewirken. Er geht von fahrlässiger Tötung aus, während Oberstaatsanwalt Ralf Meyer von Totschlag durch Unterlassen ausgeht. Das Urteil folgt am 24. Februar.
Foto: red